Woher kommt Telemark?
Wie Felszeichnungen und Moorfunde belegen, sind Ski seit mindestens 5000 Jahren im Gebrauch. Es gibt Hinweise darauf, dass die Entwicklungsgeschichte des Ski noch weiter zurück reicht und die Ursprünge möglicherweise in lnnerasien zu suchen sind.
Insbesondere in den nordischen Gebieten waren Ski Jahrtausende lang als tägliches Fortbewegungsmittel bei der Jagd und im Krieg unverzichtbar. Die ältesten Quellen aus dem frühen Mittelalter (ca. ab dem 8. Jahrhundert) belegen die große Bedutung des Skilaufs in Skandinavien nachhaltig. Nicht nur UII und Skadi, Hauptgötter der ers ten Generation in Skandinavien, waren ski gewandt. Auch die adligen bzw. königlichen Helden der Edda- und Skaldenlieder, der Skifahrt des Nor oder der finnischen Kalevala, beherrschten ihre Ski ausnehmend gut und rühmen sich dessen stolz. Etwa um 1200 gibt es erste Schriftbelege für den Kampfeinsatz von Skiläufern. Denken wir nur an die Birkenbeiner (1205) oder an Gustav Wasa (1520/21).
Die nach ihnen benannten Volksskiläufe besitzen bis heute ungebrochene Popularität. Zu den wichtigsten historischen Quellen über den Skilauf gehört das berühmte Werk„Historia de gentibus septentrionalibus" (Geschichte der mitternächtlichen Völker) des schwedischen Bischofs Olaus Magnus (die dt. Ausgabe erschien 1567 in Straßburg). Dieses Werk gibt Aufschluss über den Skilauf in Skandinavien und wurde - insbesondere was die Illustration (Holzschnitte) anbelangt - für lange Zeit zum ,,Standardwerk" über den Skilauf. Die stilisierten Skidarstellungen wurden vielfach über nommen und prägten ein irriges Bild vom Aussehen der Ski.
Die Entdeckung von ergiebigen Silbervorkommen im Gebiet von Kongsberg im Jahre 1623 führte zu einem beträchtlichen Aufschwung des Skilaufs in der Region, weil die Bergarbeiter die langen Anmarschwege zu den Minen in der Winterszeit vor allem per Ski bewältigten. Oft waren die Stollen gar nicht anders zu erreichen.
Die eigentliche Renaissance des Skisports beginnt in der Region Telemarken zirka ab der Jahrhundertwende vom 18. zum 19. Jahrhundert, insbesondere in der Gegend Morgedal in Norwegen, wo der Skilauf als traditionelles Brauchtum der bäuerlichen Bevölkerung bewahrt und gepflegt wurde.
Zunehmend tritt aber in der Folgezeit neben die Nutzung des Ski für berufliche und alltägliche Zwecke auch seine Verwendung als Freizeit- und Sportgerät. Erste Wettkämpfe finden statt und der Skisport entwickelt sich in der Region Telemarken besonders stark. Beginnend im ausgehenden 18. Jahrhundert und sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts beträchtlich ausweitend, tauchen in Mitteleuropa, speziell im deutschen Sprachraum, erste Skiläufer auf. Dabei handelt es sich überwiegend um Skandinavier, zumeist Norweger, die zum Zwecke der Berufsausübung oder des Studiums im Süden weilten und in den Wintermonaten den Skilauf pflegten. Telemark war in aller Munde, hatte aber mit der heute so be zeichneten speziellen Technik nur bedingt zu tun.
Der zu den Philanthrophen gehörende Begründer einer neuzeitlichen schulischen Körpererziehung in Deutschland, Johann Chris toph Friedrich GutsMuths, betrieb zwischen 1799 und 1804 ernsthaft Skilauf, charakterisierte ihn als wertvolle Körperübung und empfahl seine Ausübung - nachzulesen in der 2. Auflage seiner „Gymnastik für die Jugend". Guths Muths wird damit zum Begründer des Skilaufs in Deutschland.
Die skandinavischen Ski des 18./19. Jahrhunderts hatten sehr verschiedene Formen und Abmessungen. Das hing eng mit den jeweiligen Geländebedingungen, den vorrangigen Verwendungszwecken und sicher auch den vorherrschenden typischen Schneeverhältnissen zusammen. Ski, die ungleich lang waren, wurden in Verbindung mit dem Volksstamm der Samen (auch fälschlich als Lappen bekannt) bereits im frühen 17. Jahrhundert erstmals beschrieben. Der lange Ski war der „Gleitski", der kürzere der „Abstoßski". Die Lauftechnik dürfte Ähnlichkeit mit dem Halbschlittschuhschritt unse rerTage gehabt haben. Ebenfalls von den Samen, aber auch von den in Sibirien beheimateten Samojeden, sind Ski überliefert, die im Mittelbereich stark verbreitert waren. Damit sollte einem tieferen Einsinken in lockeren Schnee besser begegnet werden. In Gegenden mit überwiegend flacher Geländestruktur dominierte der Typus des Langski. Diese waren zwischen 3 m und 3,5 m lang, relativ schmal und zum Zurücklegen län gerer Strecken bestens geeignet. In bergigen Gegenden waren kürzere Ski angebrachter. Diese Skiform ist aus der Region Telemarken in Norwegen bekannt. Sie war wendiger, größ tenteils bereits leicht tailliert und man konnte mit ihr alle Geländeformationen gut bewälti gen und Sprünge ausführen. Dieser sogenannte „Telemarkski" wurde später zur verbreitetsten Skiform in Europa.
Sondre A. Norheim (1825-1897) wird nicht nur von den Norwegern als einer der bedeutendsten Wegbereiter des Skisports gesehen wird. Dass er der Erste war, der die typische Telemarktechnik fuhr, ist eher unwahrscheinlich.
Sie war damals die typische Kurventechnik oder auch Landetechnik beim Skisprung und damit skiläuferisches Basiskönnen eines jeden guten telemärker Skisportlers. Was Norheim aus der Masse guter Skiläufer hervorhob, war seine geradezu virtuose und sportlich elegante Beherrschung der Ski, die ihm in den Wettkämpfen viele Siege bescherte und ihm einen hohen Bekanntheitsgrad eintrug. Als Zimmermann und Skihersteller war er in der Lage, auch an der technischen Weiterentwicklung des Sportgerätes Ski teilzunehmen. Beides zusammen begründet seine Sonderstellung.
Seine eigenen Ski sollen 240 cm lang gewesen sein, an der Spitze sollen sie eine Breite von 8,4 cm, im Bindungsbereich eine Breite von 6,9 cm und am Skiende eine Breite von 7,6 cm besessen haben. Sie waren demzufolge bereits ziemlich tailliert, demnach „sidecut" beileibe keine Erfindung der Neuzeit ist. Bindungstechnisch orientierte sich Norheim an der damals ebenfalls schon bekannten Variante einer Kombination von Zehenriemenbindung und Fersenriemen, die er für seine Zwecke als am geeignetsten ansah. Diese Bindung hielt den Fuß fester auf dem Ski als die zumeist verwen deten „reinen" Zehenriemenbindungen. Dass ein so erfolgreicher Skisportler wie Norheim die Telemarktechnik anwandte, wurde natürlich beachtet, und als er 1868 im hauptstädtischen Umfeld Christianias (heute Oslo) damit brillierte, wollten viele dem nacheifern: eine Modeerscheinung zunächst, die sich zunehmend zur neuen Skisporttechnik entwickelte. Es war zu dieser Zeit die erfolgreiche Skitechnik der Sieger. Schon 1870 führte Norheim in Christiania erste Telemarklehrgänge durch, gründete 1881 eine Skischule und 1888 hatte sich auch der Name „Telemark" für diese neue Technik etabliert. Daneben, gleichberechtigt, entwickelte sich aber auch die Christianiatechnik.
Matthias Zdarsky, Vater der Lilienfelder Skilauftechnik und Schöpfer des Alpenskis ermöglichte mit der von ihm 1896 zum Patent angemeldeten Metallsohlenbindung den Fuß stärker auf dem Ski zu fixieren. Ein Abheben der Ferse, zum Beispiel bei der Schenkelsitzbremse war aber immer noch möglich.
Vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart hinein gab es immer wieder, parallel zur Entwicklung von Sicherheitsbindungen für den alpinen Skilauf, auch solche, die genügend Bewegungsspielraum für das technische Ausführen der Telemarktechnik ließen.
In den 20er- und 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts verhalfen die Skifilme von Fanck und Allgeier, zum Beispiel der erfolgreichste Skifilm aller Zeiten „Der weiße Rausch" mit dem begnadeten Skiläufer Hannes Schneider als Hauptakteur sowie seiner exzellent demonstrierten sogenannten „Arlberg-Technik", zu einer bis dahin nicht für möglich gehaltenen Popularität und löste eine bis dato beispiellose skiläuferische Massenbewegung in Zentraleuropa aus. Die Arlberg-Technik erlebte einen Boom.
Somit verlor Anfang des 20. Jahrhunderts die Telemarktechnik an Bedeutung. Sie behielt lediglich als Landetechnik beim Skisprung einen Stellenwert. Sie war aber bereits Anfang der 20er-Jahre, eben nicht mehr die Technik der Sieger. Im Kampf um Meter und Sekunden war mit der Telemarktechnik nicht mehr zu gewinnen, was letztlich zwangsläufig im Bewusstsein der Skiinteressierten seine Spuren hinterließ.
Zur Wiedergeburt der Telemarktechnik kam es zu Beginn der 70er-Jahre in den Rocky Mountains. Dafür gab es mehrere Gründe. Zu ihnen gehörte das Wissen um die Eleganz und Schönheit dieser Art des Skifahrens. Dass die Technik praktikabel war, musste nicht erst bewiesen werden. Das ist seit über 100 Jahren wohlbekannt! Außerdem kristallisiert sich ein ursächlicher Zusammenhang mit der zunehmenden Verbreitung des Ski-Tourengehens und dem Trend zur Entwicklung von Outdoor-Sportar ten heraus. Mit leichter Ausrüstung schnell und beweglich„Skitouren zu gehen" und mit sicherer Technik im freien Gelände elegant ins Tal abzufahren, waren die Teilkomponenten, die miteinander verknüpft werden sollten. Erkannt zu haben, dass dies der Telemarktechnik in nahezu idealer Weise gelang, darin bestand die Leistung jener „gelangweilten Skipatroler" von Crested Butte. Die weitere Entwicklung verlief folgerichtig. Experimente mit Tourenski und offenen Skibindungen, von einem der neuen Telemarkpioniere, Rick Borcovec, eindrucksvoll und bildhaft geschildert, Modifizierung von Technik und Ausrüstung entsprechend der modernen Möglichkeiten, prägten die Folgejahre. Eine Popularisierung in der Öffentlichkeit brachte die erwünschte Aufmerksamkeit auch in den europäischen Skigebieten, und die Norweger beteiligten sich als erste und am zahlreichsten an der Renaissance der Telemarktechnik.
1975 zeigte ein Demonstrationsteam des Deutschen Verbands für das Skilehrwesen (DVS) beim lnterskikongress in Strebske Pieso (Tschechien) auf Langlaufskiern die Telemarktechnik.
Im Jahre 1983 auf dem lnterskikongress in Sesto (Italien) war es dann das Demonstrationsteam der US-Berufsskilehrer, die die Telemarktechnik und Lehrmethodik nachhaltig bekannt machten.
1987 fanden in Hemsedal (Norwegen) die ersten offiziellen Telemarkweltmeisterschaften statt. Für viele unvergessen sind auch die exzellenten Telemarkvorführungen mit traditionellem Gerät und in historischer Skitracht im Rahmenprogramm der Olympischen Winterspoele 1994 in Lillehammer.
Im Januar 1985 wurde die "Deutsche-Telemark-Skilauf-Organisation" (DTSO) gegründet. Die Entstehung der DTSO und die frühe Entwicklung verknüpfen sich mit deren erstem Präsidenten Harro Mulzer.
Die DTSO fand als eigenständiges Referat Telemark im Oktober 1997 im Deutschen Skiverband ihre neue Heimstatt.
Im Mai 1998 entstand das "DSV-Telemark-Ausbilder-Team", das fast auf den Tag genau ein Jahr späte im Mai 1999 den offiziellen Status eines "Bundeslehrteams Telemark" im DSV-Ausbildungswesen zuerkannt bekam.